Von Anfang an dabei: 40 Jahre Hermes

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Kategorie: Fundstücke & Anekdoten, Gastbeiträge & Interviews, Mitarbeiter & Leben


Der Hermes Mitarbeiter Arnhold Falk feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Jubiläum im Unternehmen. Seit seinem 24. Lebensjahr arbeitete er in der Region Stuttgart für die Logistikgruppe, über 30 Jahre davon als Zusteller. Am 16. November trat er seinen letzten Arbeitstag an und nun verabschiedet er sich in den verdienten Ruhestand. In seiner letzten Arbeitswoche traf ich ihn zu einem Gespräch. Mitgebracht hat der 64-Jährige den originalen Hermes-Zustellerkittel der zweiten Generation.

Arnhold Falk im alten Hermes Zustellerkittel. (Foto: Ina Mecke)

 

Herr Falk, die Firma Hermes wurde am 1. Juni 1972 gegründet. Sie sind seit dem 15. November 1975 dabei. Erinnern Sie sich an Ihren ersten Arbeitstag?
Ja, daran erinnere ich mich gut. Ich war 24 Jahre alt und auf der Suche nach Arbeit. In der damaligen Wirtschaftskrise war es schwierig etwas zu finden. Also durchblätterte ich die Zeitungen und las eine Annonce von Hermes. Dort bewarb ich mich als Zusteller, denn Auto fuhr ich schon immer gerne. Da das Weihnachtsgeschäft vor der Tür stand, suchten sie dringend Leute. Ich führte ein nettes Gespräch mit dem Depotleiter und am nächsten Tag fuhr ich zum ersten Mal bei einer Tour mit. Noch am selben Abend unterschrieb ich den Vertrag und tags darauf war ich mit meiner ersten eigenen Tour im Schwarzwald bei Schnee unterwegs.

Trugen Sie damals diesen Kittel?
Nicht diesen. Das ist ein Kittel der zweiten Generation. Auf der Brusttasche musste man einen Aufnäher mit seinem Namen anbringen, der ist aber schon abgegangen. Meine Frau hat ihn damals aufgenäht. Auch für Kollegen, Junggesellen, die nicht nähen konnten. 

Was haben Sie gelernt, bevor Sie bei Hermes anfingen?
Zunächst lernte ich Elektromechaniker, anschließend war ich bei der Bundeswehr. Dann machte ich eine Ausbildung im EDV-Bereich. Allerdings ohne Computer. Man kann sich das heute nicht mehr vorstellen. Wir hatten eine Tastatur und Fotos als Anschauungsmaterial. Was ich in dieser theoretischen Ausbildung lernte, brachte mir für die Praxis nicht viel.

Die Digitalisierung stand in den Siebzigern noch am Anfang, das betraf auch die Hermes EDV. Wie hat man damals zugestellt, so ganz ohne Scanner?
Wir suchten uns die Pakete für die Touren selbst zusammen. Dann schrieben wir von Hand eine Liste, auf der wir die Namen, Adressen und Sendungsnummern eintrugen. Auf dieser Liste unterschrieben die Kunden beim Empfang der Sendungen.

Hermes war nach der Post der erste Versandservice, der Pakete zustellte, für die Kunden war der Service also noch ganz neu. Freuten sich die Leute, wenn Sie klingelten?
Die Kunden waren sehr herzlich. Sie boten mir auch immer wieder Kaffee und Essen an. Das konnte ich aber nicht annehmen, denn ich wäre ja mit meiner Tour nicht weiter gekommen. Manchmal ließ ich mir das Essen einpacken, das war praktisch und ging schnell.

Kannten die Kunden Sie mit der Zeit?
Ja, ich bin jahrelang dieselben Touren gefahren. Viele kannten mich sogar mit Namen. Wenn ich heutzutage manchmal in meinen alten Zustellgebieten zu einer Veranstaltung gehe, erkennt man mich noch, obwohl ich schon seit 13 Jahren nicht mehr zustelle. Da bin ich schon ein bisschen stolz drauf.

Im Schwarzwald gibt es viele kleine Ortschaften mitten im Wald. Wie ist es, wenn man im Winter dort zustellt?
Ich bin bei jedem Wetter gefahren. Es kam ungefähr fünfmal vor, dass ich an allen vier Rädern Schneeketten hatte. Man fährt bei Schnee und Glätte steile Hänge hoch und runter, aber ich musste mich in meiner gesamten Zeit als Zusteller nur einmal abschleppen lassen.

Als sich 1989 die Mauer öffnete stieg Hermes sofort in das Geschäft ein. Waren Sie dabei?
Ja, im Vorweihnachtsgeschäft 1989 war ich eine Woche in Aue, im Sächsischen Erzgebirge  und habe in der DDR zugestellt.

Wie war das organisiert?
Sehr chaotisch, aber es war eine tolle Zeit. Die DDR-Bürger bestellten Unmengen. Hermes hatte eine kleine VEB-Halle angemietet, dort wurden mehr Pakete hinein getragen, als raus gehen konnten. Es gab ja viel zu wenig Personal!

Wie wurden die Sendungen sortiert? Gab es dort ein Band?
Nein, es war alles sehr provisorisch. Die Halle war voll mit Paketen und die Sendungen wurden nach Ortschaften gestapelt. Wir sortierten die Pakete teilweise auf dem Hof vor der Halle, weil drinnen kein Platz war.

Wie haben Sie sich dort zurechtgefunden? Es gab ja kein Kartenmaterial.
Ich hatte einen Esso-Autoatlas, in dem die Grenzgebiete eingezeichnet waren, der hat ungefähr gestimmt. Während den Fahrten zeichnete ich selbst Karten. Die Touren gingen über zwei Tage und das Auto hatte ich voll. Am ersten Tag navigierte mich ein 14-jähriger Junge.

Ein fremder Junge?
Ja! Die Menschen waren damals richtig begeistert, dass jemand kommt und ihnen Pakete bringt und die Kinder fanden das Auto toll und wollten mitfahren. Es waren gerade Ferien. Ich habe bei einer Familie eine Sendung zugestellt und der Junge fragte, ob er mitfahren darf. Er hat mich den ganzen Tag gelotst, wusste, wo die Dörfer sind und wo die Menschen wohnen. Abends hat mir seine Mutter noch geholfen, eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Ich kam bei Freunden der Familie unter, es gab gutes Essen. Sie waren wirklich sehr freundlich.

Waren die Erfahrungen in der DDR insgesamt so positiv?
Die Leute waren zu etwa 90 Prozent herzlich und erfreut. Die anderen waren vor allem überrascht, weil ihre bestellte Ware so schnell bei ihnen ankam.

In Ihrer Zeit als Fahrer haben Sie richtig viel erlebt und diese Arbeit machte Ihnen Spaß. Warum haben Sie damit aufgehört?
Das hatte gesundheitliche Gründe. Zustellen bedeutet auch harte Arbeit. Man trägt schwere Pakete die Treppen hoch und runter und man muss ein bestimmtes Pensum schaffen. Ich hatte mit meiner Gesundheit zu kämpfen. Nach 27 Jahren wurde ich Service-Tour-Fahrer, fuhr also nur noch PaketShops an, und dann wechselte ich ins Lager.

Wenn Sie nach vierzig Jahren auf die Zeit bei Hermes zurück blicken, was denken Sie?
Es war eine wunderbare Zeit. Es gab wie überall Höhen und Tiefen. Bis heute stehe ich hinter Hermes. Ich finde, wer seine Firma nicht mag, arbeitet in der falschen Firma.

Glücklich in den Ruhestand: Arnhold Falk in seiner vorletzten Arbeitswoche. (Foto: Ina Mecke)


Sind Sie traurig, dass sie jetzt in den Ruhestand gehen?
Ich freue mich, dass nun eine Zeit kommt, die ich in Ruhe genießen kann. Mir fehlt es an nichts, ich muss mir keine Sorgen machen. Ich bin glücklich.

Herzlichst,
Ihre Ina Mecke


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