Ina Mecke

Heute vor 23 Jahren: Aufbruchsstimmung – Erinnerungen eines Hermes Mitarbeiters der „Stunde Null“

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Kategorie: Geschichte & Tradition, Transport & Logistik


Der 3. Oktober ist einer der wichtigsten Tage in der deutschen Geschichte, denn die deutsche Wiedervereinigung bedeutete für viele Menschen eine neue Lebenssituation. Wenn ein ganzes System umgestellt wird, ist das sowohl für die Menschen, als auch für den Markt eine riesige Herausforderung, die erst einmal bewältigt werden muss – aber auch sehr viele Chancen mit sich bringt. Auch für Peter, einen Hermes Mitarbeiter der „Stunde Null“, und mich.

Ich selbst erinnere mich kaum an diese Zeit des Umbruchs, denn am Tag der Wiedervereinigung war ich knapp vier Jahre alt. Woran ich mich jedoch sehr gut erinnere ist, dass meine Mutter seit Jahr und Tag bei Otto bestellt hat und dem Unternehmen bis heute treu geblieben ist. Die Kücheneinrichtung in meinem Elternhaus gehörte zu den ersten Dingen, die wir schon 1990 bei Otto gekauft haben und die uns von Hermes nach Hause gebracht wurde. Ich erinnere mich auch, dass es in unserem Dorf Wandersleben, nicht weit von meinem Elternhaus entfernt, eine Otto-Filiale gab.

Aufbruchsstimmung – Erinnerungen eines Mitarbeiters der ersten Stunde

Wandersleben ist darüber hinaus seit Oktober 1990 der Sitz der Hermes Niederlassung Erfurt. Einige Mitarbeiter, die bis heute hier arbeiten, sind seit der „Stunde Null“ dabei. So wie Peter, der heutige Teamleiter vom Rücklauf. Er erinnert sich sogar an seinen ersten Arbeitstag am 29. Oktober 1990, als er zunächst als Zusteller angefangen hat: „Es war eine richtige Aufbruchsstimmung zu spüren. Die Leute waren motiviert zu arbeiten. Immerhin hatten wir durch Hermes alle einen sicheren Arbeitsplatz mit guter Bezahlung bekommen.“ Die Halle wurde durch Hermes von einem ortsansässigen Bauunternehmen gemietet und innerhalb kürzester Zeit fit gemacht. „Dann war ich zwei Wochen in Darmstadt auf einer Weiterbildung, um wie es hieß „den Umgang mit den PS-starken Fahrzeugen“ zu lernen. Und als ich wiederkam, war alles schon da: die Autos, die Corletten, die Arbeitskleidung… Ich konnte direkt los legen.“ Zu dieser Zeit stellte Hermes noch ausschließlich für Otto, Heine und Schwab zu.

Dass die Otto Group den neuen Wirtschaftsraum so schnell erschließen konnte, hat sie nicht zuletzt Hermes zu verdanken. Kein anderes westdeutsches Logistikunternehmen agierte in der neuen Situation so schnell und so einfallsreich wie Hermes. Kurz nach dem Fall der Mauer, als die Grenzen zwar schon geöffnet, aber noch bewacht waren und formell noch DDR-Recht galt, schaffte Hermes die Otto Kataloge autoweise über die Grenze und verteilte sie an die neuen potentiellen Kunden. Dank dieser Unterstützung war Otto ziemlich schnell auf dem neuen Markt präsent.

Erkundungstouren in „Neuland“

Um eine flächendeckende Zustellung im „Neuland“ zu gewährleisten, musste eine neue Infrastruktur geschaffen werden. Bereits da begannen die Schwierigkeiten. Es gab kaum verlässliches Kartenmaterial und bewusst irreführende Wegweiser in den Grenzgebieten. Also gingen die Hermes-Mitarbeiter selbst auf Erkundungstour, dokumentieren Straßenverhältnisse, Wege und erfassten Wohnsiedlungen.

Herausforderungen und Koffer voller Geld

Die eigentliche Herausforderung aber war es, Hallen für den Warenumschlag zu mieten, denn diese gehörten dem Staat. Deswegen musste man neue Wege gehen. Statt eigene Hallen zu kaufen, trat man an bereits bestehende örtliche Speditionsbetriebe heran, die in Besitz einer Halle waren und kooperierte mit ihnen. Die Partner stellten die Umschlagsflächen und Arbeitskräfte, während Hermes für Fahrzeuge, Arbeitskleidung, Pakete und Bezahlung sorgte. Anfangs wurde das Westgeld für die Bezahlung der Mitarbeiter wortwörtlich in Koffern zu den Kooperationspartnern geschafft, um eine pünktliche Bezahlung zu ermöglichen.

Der Hermes Versand Service Berlin

Nur einige Niederlassungen gehörten damals direkt zu Hermes. So wie die Niederlassung Erfurt. Da die Rechtslage unklar war, gründete Hermes zunächst den „Hermes Versand Service Berlin“, zu dem auch die Niederlassung Erfurt gehörte. Peter erinnert sich: „All unsere Fahrzeuge hatten Berliner Kennzeichen“.

Mit sehr vielen Zustellern und Fahrzeugen wurde von Wandersleben aus ein großer Umkreis abgedeckt. „Am Anfang fuhren wir zweitägige Touren mit über 200 Sendungen. Meine ersten Touren gingen bis nach Naumburg. Dort übernachteten wir. Natürlich bekamen wir alle Zusatzkosten dafür erstattet.“

Zelten auf der Autobahn

In den Regionen, wo es Hermes nicht gelang, eine Halle zu mieten, wurde anders improvisiert. So wurde zum Beispiel bei Leipzig übergangsweise ein riesiges Zelt auf einem stillgelegten Autobahnabschnitt errichtet, das als Umschlagsplatz diente.

Trotz aller Schwierigkeiten und Barrieren, die die Wiedervereinigung am Anfang mit sich brachte, gelang es Hermes, sich der neuen Herausforderung zu stellen und sie mit Kreativität und Improvisationsvermögen zu meistern. Durch das Zusammenwachsen des geteilten Staates, ist auch das Unternehmen gewachsen; und zwar nicht nur wirtschaftlich. Es sind auch Kooperationen entstanden, viele Menschen haben durch Hermes eine ganz neue Perspektive gefunden und manche sind seit damals bis heute ein fester Bestandteil der Hermes Welt. So wie Peter.


1 Kommentar

  1. Alexander am 08. Oktober 2013 um 10:40 Uhr |

    Hi Ina,

    toller Einblick in die Hermes-Geschichte – wenn man sieht, was heute in Deutschland und Europa daraus geworden ist, können wir alle sehr stolz darauf sein – trotz aller Hürden, die noch zu nehmen sind!

    Danke Dir und Gruß nach Erfurt
    Alexander