Lost in Translation?

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Kategorie: Fundstücke & Anekdoten


Seit über 11 Jahren arbeite ich bei Hermes im Kundenservice. Die Kundenanfragen erreichen uns hauptsächlich per Telefon, aber auch per E-Mail. So erhielt ich neulich eine Anfrage, die da lautete:

„Ich benenne lebendiges Maximum in Italien, das ich freundlich kennen daß wollte, das Mitten
logistische in Italien Ihres Hermes Firma, sto das ein Paket dieses wartet, wenn freundlich ich Sie
Dank viel maximales beantworten kann.“ (Text wurde etwas gekürzt und anonymisiert)

Welches Maximum in Italien und wo ist die Mitte? O.k., Logistik und Paket war klar. Aber was ist das Maximum in Italien? Gut, man kann schon maximalen Dank am Ende aussprechen. Ich verstand gar nichts.

Deutsch ist eben doch nicht gleich Deutsch, dachte ich. Da der Absender in Italien sitzt, überlegte ich mir, den Text einmal zurück ins Italienische zu übersetzen und Schritt für Schritt legte ich den bislang verborgenen Sinn frei. Auf Italienisch lautet der Textanfang so: „Mi chiamo Massimo e vivo in Italia …“ Auf Deutsch: „Ich heiße Massimo und lebe in Italien …“ Die weitere Rückübersetzung ergab, dass nach einem Paket gefragt wird, auf das unser Kunde gerade wartet („sto“ übersetzt unser Programm nicht, wahrscheinlich weil es die Wendung stare + Gerund nicht erkannt hat) und welches durch („Mitten“ meint mittels) Hermes transportiert wurde. Zum Schluss bedankt sich Massimo für die Beantwortung.

Ich vermute, dass unser Kunde selbst kein Deutsch kann, sondern ein Übersetzungsprogramm
benutzt hat. Diese Übersetzungshilfen erfreuen den Kundenberater aber nicht nur mit Geheimcodes,
die es zu entschlüsseln gilt, sondern auch mit handfesten Missverständnissen.

So wird in einer anderen E-Mail von der „Anzahl der Schiffsunfälle 01234567890123“ geschrieben
und gefragt, warum der „Courier“ keine „Warnung“ hinterlassen habe. Nach dem ersten Schrecken
wird mir klar, dass es sich bei der „Anzahl der Schiffsunfälle“ um die „shipping number“ handelt,
also die „Sendungsnummer“, und der Kunde wissen möchte, warum der Zusteller keine
Benachrichtigungskarte“ (wahrscheinlich von „advance notice“) hinterlassen habe.

Um keine Antwort verlegen, erweisen sich diese Programme auch bei Kunstwörtern wie „Handy“. Je nach Herkunft heißt es dann mal „mein Bewegliches“ (von „mobile“ aus dem Englischen) oder „mein Tragbares“ (von „portable“ aus dem Französischen).

Die eigenwillige Prosa der Übersetzungs-programme ist nur ein Ausschnitt dessen, was den Kundenservice so abwechslungsreich macht. Auch im nationalen Kundenkontakt heißt es, die unterschiedlichen Kommunikationsstile zu beherrschen und mit Einfühlungsvermögen und detektivischem Gespür das Anliegen der Kunden zu entschlüsseln.

„Lost in translation?“ lautete meine Frage zu Beginn meines Beitrages. Ich denke, bei Hermes jedenfalls nicht :-)


8 Kommentare

  1. Alexander Lange am 04. September 2012 um 18:34 Uhr |

    Hi Ulrich, echt lustiger Beitrag, ich habe wirklich gelacht über das „lebendige Maximum in Italien“ – das ergibt ja schon fast wieder Sinn ;o) Man braucht auf jeden Fall Humor im Kundenservice, oder?

  2. Björn Wilke am 04. September 2012 um 19:34 Uhr |

    ich bin gespannt auf die ganzen fortsetzungen ;)

  3. Michael Keim am 05. September 2012 um 09:58 Uhr |

    Es gibt Geschichten, die kann man nicht erfinden.
    Ich hatte eine Mail, in der nur gefragt wurde, wo die SE bleibe – keine Send-ID, keine Adresse.
    Nur der Nickname: Erzengel Gabriel.
    Da ist man doch versucht, den Empfänger an seinen „Chef“ zu verweisen – der sieht alles, weiß alles…

  4. Norbert Frömgen am 05. September 2012 um 13:52 Uhr |

    Ein amüsanter und inbesondere auch interessanter Blick „hinter die Kulissen“. Das ist ja ein Thema, das man nicht sofort mit einem Paketversand in Verbindung bringt.

  5. Sabrina Hormann am 06. September 2012 um 11:56 Uhr |

    Herrlich :). Bitte mehr davon.

  6. Hürrem am 07. September 2012 um 11:24 Uhr |

    hahahaha herrlich….:-)))))

  7. Ja, ja, die Übersetzungsprogramme. Humor, Ruhe und detektivischer Spürsinn sind gefragt und anscheinend ja auch vorhanden.
    Schöne Beispiele des höheren Blödsinns liefern auch regelmäßig die Rechtschreibprogramme, die ebensolche irrwitzigen Vorschläge machen. Der Artikel war eine nette Unterbrechung. Danke!

  8. Edgar Herz am 10. September 2012 um 11:47 Uhr |

    was für eine Geschichte, selten so gedacht.